Die Deutsche Kriegsmarine von 1914-1942

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Die Deutsche Kriegsmarine von 1914-1942 (Das III Reich Sondersheft 04)

Publisher: John Jahr Verlag 1974 78 Pages

PDF 83 MB

Für die Seestrate­gie im Ersten und Zweiten Weltkrieg galten folgende Voraussetzungen und Grundsätze: Das Leben Groß­britanniens, die Ernährung des bri­tischen Volkes und die Aufrechterhaltung seiner Industrie hingen im Frie­den wie im Krieg von der Beherr­schung der britischen Einfuhrwege im Atlantik ab. Hierzu kam im Kriege zu­sätzlich, daß die Rüstung Großbritan­niens nur durch vermehrte Einfuhr von Rohstoffen auf den „Rollbahnen" des Atlantik möglich war. Aber nicht dies allein: Die Beherr­schung des Atlantik war im letzten Kriege die Voraussetzung dafür, daß Großbritannien die Waffenwerkstätten der ganzen übrigen, auch der neutra­len Welt, zur Verfügung standen. Nur auf dem Wege über den Atlantik konn­ten z. B. die unerschöpflichen Kraft­quellen der neutralen Vereinigten Staaten 1940 und 1941 den Engländern zuströmen und Großbritanniens eige­nes Kriegspotential erhöhen. Die Zusammenhänge zeigen, daß das Primäre, die Voraussetzung für alles Kriegsgeschehen, für die Anglo-Ame-rikaner die Beherrschung dieser Ver­bindungswege im Atlantik war. Für die Anglo-Amerikaner war daher militä­risch der Schutz dieser Wege die Auf­gabe erster Wichtigkeit und jeder An-: greifer dieser Wege der Feind Nr. 1. Entsprechend hätte für uns der Angriff auf diese Wege die erste strategische Aufgabe sein müssen. Denn er barg gleichzeitig die Möglichkeit in sich, das Entfalten der Kräfte des Gegners auf dem europäischen Kontinent ein­zuschränken oder gar zu verhindern. Unser erfolgreicher Kampf im Atlantik war daher auch die Voraussetzung für unseren erfolgreichen Kampf auf dem Kontinent. Also vor allem und zunächst mußten wir im Atlantik angreifen und zu siegen versuchen. Das kampfkräf­tigste und erfolgreichste Mittel, wel­ches wir zu diesem Zweck hatten, war das U-Boot.

Die Erkenntnis, daß England in einem Krieg entscheidend nur dort zu treffen war, wo seine Lebenslinien laufen, nämlich im Atlantik, lag aber bei uns nicht vor, weder bei der politischen Führung noch bei den militärischen Spitzen, noch im Volk und weder vor 1914 noch vor 1939. Hätte unsere politische und militäri­sche Führung vor diese Zusammen­hänge klar erkannt, so hätte sie poli­tisch vermeiden müssen, daß es über­haupt zu einem Krieg mit England kommen konnte.

Als im September 1939 der Krieg mit England nun doch ausgebrochen war, war die Marine ein Torso; wir mußten ungerüstet in diesen Krieg gehen. Da der Krieg nun aber einmal gekom­men war, mußte von deutscher Seite gesamt-strategisch in erster Linie alles geschehen, um die fehlende Rüstung für den Kampf im Atlantik so schnell wir möglich nachzuholen. Denn die Schlacht im Atlantik war das Primäre und bestimmend für alles andere Kriegsgeschehen.

Daß der U-Boot-Bau in den Jahren 1939 bis 1943 aus den verschiedensten Gründen nicht den gesamt-strategisch notwendigen Rüstungsvorrang erhielt, daß er nur in dem der Marine zuste­henden beschränkten Sektor der Indu­strie erfolgte - und auch dort nur man­gelhaft und verzögert wegen ständig ungenügender Zuteilung von Material (Stahl!) und wegen Entziehung von Ar­beitskräften -, ist ein wesentlicher Grund für das Verlieren des Krieges. Um diese Behauptung zu begründen, muß ich auf das sogenannte Tonna­ge-Problem eingehen, denn in dem Kampf im Atlantik handelte es sich darum, daß wir mehr Transportraum, also Handelsschiffe, die für die Über­führung der notwendigen Nahrungs­mittel, Rohstoffe, Truppen, Waffen, Munition und Treibstoff, von den An-glo-Amerikanern gebraucht wurden, versenken mußten, als die Gegner, die USA und England, auf ihren Schiffs­werften nachbauen konnten. Da ein vermehrter Nachbau von Schiffen Zeit erfordert, mußten wir also so schnell wie möglich versenken, bevor der ver­mehrte Neubau die Höhe der Versen­kungen ausgleichen konnte. Tatsäch­lich glückte es den Vereinigten Staaten und Großbritannien zusammen erst im Juli 43, also nach 2 3/4 Jahren Krieg, mehr Handelsschiff-Tonnage monat­lich zu bauen, als wir monatlich ver­senkten.

In der Atlantikschlacht spielte also das Zeitproblem eine entscheidende Rolle. Daherwares notwendig, in den Kriegs­jahren bis zum Februar 1943, so schnell wie möglich und im großen Stil mit allen Mitteln des Staates und der Industrie U-Boote zu bauen, damit wir so schnell wie möglich eine möglichst hohe Tonnagezahl versenken konnten. Daß wir mit unserer kleinen unzurei­chenden U-Boot-Zahl trotzdem im März 1943 England in die größte Ge­fahr gebracht hatten, zeigt, wie anders die Atlantikschlacht ausgelaufen wäre, wenn wir rechtzeitig mit den, vom BdU Frühjahr 1939 geforderten U-Bootzah-len hätten kämpfen können.

Karl Dönitz Großadmiral a.D.

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