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Kanoniere Waffen SS Die Deutsche Artillerie von 1939-1945 (Das III Reich Sondersheft 10)
Publisher: John Jahr Verlag 1974 76 Pages
PDF 81 MB
Die deutsche Artillerie hat in ihren Waffen, in ihrem Einsatz und ihrer Wirkung zwischen den Jahren 1934 und 1945 eine bis dahin nicht für möglich gehaltene Entwicklung erlebt. Bis 1937 ververgrößerte sie sich zu achtzehnfacher Stärke als wesentlichste Unterstützungswaffe der Infanterie, nachdem sie schon bis 1933 eigene neue Waffenkonstruktionen weit differenziert entfaltet und eine Reihe artilleristischer Spezialwaffen später als eigene Waffengattungen verselbständigt und abgegeben hatte, ohne daß diesen ihre Herkunft aus der Artillerie bewußt geblieben wäre. Die Neuentwicklungen mit dem Übergang vom Pferd zum Motor gelten vor allem der Steigerung und Beweglichkeit, ebenso aber auch der Wirkung, und das bei einfachster Fertigung. 1939 ist die deutsche Artillerie in Europa am modernsten ausgestattet und mit ihrem 10,5-cm-Standard-Kaliber bis 1941 allen anderen Staaten überlegen. Trotz der Entwicklung von Luftwaffe und Panzertruppe bestätigt gerade der Zweite Weltkrieg erneut die hohe Bedeutung der Artillerie, die sich als Hauptträgerin des Feuerkampfes in abgestimmter Koppelung von Feuer und Bewegung, besonders bei der Abwehr sowjetischer Massenangriffe, erweist: Sie ist fähig, schnell und in großer Tiefe und Breite nachhaltig in den Kampf einzugreifen, den Gegner zu überraschen, schwer zu treffen und ihn mit Feuerschlägen zu vernichten. Ihre Vernachlässigung - im Gegensatz zur Roten Armee - ab 1943 rächt sich bitter! Artilleristische Führung erfordert stetsein großes Maß an Wendigkeit, organisatorischem Vorausdenken und Ausdauer. Viele der Friedenskommandeure zeichnen sich in entscheidenden Stellungen als hochbefähigte und markante Truppenführer und Generalstabsoffiziere aus. Der Anteil der Artilleristen an der Generalität liegt mit 30 bis 50 % weit höher als ihr Stärkeverhältnis im Rahmen der Wehrmacht; ihr Anteil an der Führung des Heeres ist hoch. Die Gesamtstärke der Artillerie hat sich im Kriege noch verdoppelt auf eine Stärke von rund 655 000 Mann, das sind etwa 24 % des Feldheeres. Zunehmende Verluste und verschlechterter Ersatz ab 1942/43 erschweren die personelle Lage der Artillerie bis zum Kriegsende. Andererseits hat keine Waffengattung in der deutschen Heeresgeschichte ein verzweigteres und besseres Waffen-Schulsystem besessen als die Artillerie-Schulen von 1939 bis 1945. Besonders gelungen und wirksam sind die Entwicklungen der Aufklärenden Artillerie, die Neukonstruktionen der Eisenbahn-Artillerie, die Geschütze der stark entwickelten schweren Artillerie bis
hin zum 35,5-cm-Mörser, 60-cm-Mörser und zur 80-cm-Kanone, die motorisierte und Selbstfahrlafetten-Artillerie der Panzer-Divisionen, der Fallschirm- und Ge-birgs-Artillerie, der Flak und Panzerjäger-Selbstfahrlafetten. Ohne die Sturmartillerie mit ihrem besonders ausgesuchten und bewährten Personal und ihrem vorzüglichen Material sind die Jahre 1941 bis 1945 nicht zu denken. Vor allem aber leitet der Werfer eine ganz neue Epoche der Artillerie ein, eine Entwicklung, die eigentlich nur in Deutschland und Rußland voll entfaltet wurde, bis hin zu den Groß-Raketen V 1 und V 2. Die Kriegssituation nötigt zur Ausnutzung der Beute-Geschütze, die manche gelungene Kombination ergibt. Die Großeinsätze der deutschen Artillerie von Warschau (1939) über den Durchbruch der Maginot-Linie (1940), Brest-Litowsk (1941), Tobruk und Sewastopol sowie Stalingrad (1942), Kuban (1943), Kursk und Orel (1943), Heeresgruppe Mitte und Ardennen-Offensive (1944) bis zu Berlin (1945) lassen auch auf deutscher Seite artilleristische Großverbände entstehen, was zur Aufstellung von zunächst zehn Artillerie-Brigaden, später „Korps" genannt, führte; jedes sollte etwa 100 Rohre verschiedenen Kalibers und eine Feuerleitbatterie haben. Von diesen Artillerie-Korps, die zur schnellen Bildung artilleristischer Schwerpunkte dienen sollten, wurden nur wenige bis Kriegsende fertig; hauptsächlich fehlte es an der Möglichkeit, sie zu motorisieren. Die deutsche Artillerie hat in zwei Weltkriegen niemals solche Massierungen aufbieten können wie ihre Gegner. Mit einfallsreicher Planung und energischer Führung konnte sie aber in engem Zusammenwirken mit Panzertruppe und Luftwaffe Tuchfühlung mit der oft schwer ringenden Infanterie halten und ihr Rückgrat bilden. Sie hat sich bis zum letzten bewährt, obwohl sie - vor allem in Friedenszeiten - gegenüber attraktiver erscheinenden Waffengattungen allzu leicht unterschätzt wird.
In der heutigen Verteidigungs-Konzeption kommt der Artillerie eine erhöhte Bedeutung zu „als wesentliche Trägerin des Feuerkampfes" unter Ausnutzung ihrer Reichweiten, Wirkung und ihrer Fähigkeit „zur überraschenden Bildung und schnellen Verlagerung von Feuerschwerpunkten". Auch in Zukunft wird sich die Artillerie unter äußersten Umständen als gefechtsentscheidende Waffe bewähren müssen.
Wilhelm Berlin General der Artillerie a. D.
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